1751-1758
Dem Wilmersdorfer Prediger Samuel Gottlieb Fuhrmann werden drei seit dem Dreißigjährigen Krieg "wüst liegende", also verlassene, Hofstellen überschrieben. Er lässt darauf ein eingeschossiges bäuerliches Wohnhaus, ein so genanntes Büdner- oder Kossätenhaus, errichten und verpflichtet sich gegenüber König Friedrich II., auf dem Grundstück eine Maulbeerplantage für die Seidenraupenzucht anzulegen. Wilmersdorf ist damals ein Angerdorf am See in der Mark Brandenburg (Amt Mühlenhof) und besteht aus 20 Hofstellen nördlich und südlich der Dorfstraße (der späteren Wilhelmsaue), einem Vorwerk, einer Kirche, einem Friedhof und einem Schafstall.
1765-1781
Der Berliner Holz- und Tuchhändler Cornelius Adrian Hesse erwirbt das Bauernhaus am Wilmersdorfer Dorfanger. Wahrscheinlich lässt er es abreißen und einen Neubau errichten: jenes Landhaus mit barocker Fassade, das heute den Namen "Schoeler-Schlösschen" trägt. Hesse nutzt es als Sommersitz sowie zur Seidenraupenzucht. Beim großen Brand von 1766, der fast die gesamte Südseite des Angerdorfes zerstört, bleibt das Haus unbeschadet. 1772 hat Wilmersdorf 242 Einwohner:innen.
1783-1802
Der erfolgreiche Berliner Baumwollfabrikant Johann Georg Sieburg - er hat eine große Manufaktur am "Quarré", dem späteren Pariser Platz - kauft das Haus. Mit Unterstützung des preußischen Hofs pachtet er in Wilmersdorf zusätzlich Land für den Anbau von Färberkrapp-Pflanzen, um seine Garne mit selbsterzeugtem "Türkisch-Rot" zu färben. Er siedelt Facharbeiter:innen aus dem Elsass an und setzt sich für die Verbesserung der Infrastraktur im Dorf ein, u.a. werden auf seine Initiative hin zwei Löschteiche gegraben und zwei Gemeindebacköfen eingerichtet.
1802-1826
Etienne und Eleonore Dorothea Benecke, eine Handels- und Bankiersfamilie aus Berlin, erwerben das Landhaus am Wilmersdorfer See und nutzen es vor allem im Sommer und für Festlichkeiten. Der Garten wird nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten umgestaltet und durch Ankauf nach Osten erweitert, ein Treibhaus sowie eine Kegelbahn werden gebaut. Zu den Gästen der Beneckes zählen mit großer Sicherheit König Friedrich Wilhelm III. sowie Kaiser Alexander von Russland.
1826-1828
Der spätere preußische Kultusminister Prof. Dr. Moritz August Bethmann-Hollweg kauft das "reizende Landhaus am See". In dieser Zeit ist er Professor für Zivilrecht und Zivilprozess an der Berliner Universität, 1827/28 sogar deren Rektor. Schon zwei Jahre nach dem Kauf folgt er jedoch einem Ruf an die Universität Bonn.
1828-1857
Der Bankier und spätere Berliner Stadtverordnete Wilhelm Zacharias Friebe und seine Frau Caroline Wach kaufen Haus und Garten. Das kunstsinnige und sozial engagierte Paar nutzt es ebenfalls als Sommersitz und macht die Gartenanlage zu einer Sehenswürdigkeit voller exotischer Pflanzen: Hier wachsen Papyrus, Caladien, Arvideen, Drachenlilien und eine "prächtige Feigenwand". Die Innenräume sind großbürgerlich gestaltet, mit "Boisserie an den Wänden", einem "rosa Kabinett mit kleinen Rokkokotischen" sowie einem "Spiegel aus hundert Stückchen" im Esszimmer. 1849 zählt Wilmersdorf 626 Einwohner:innen und 1.000 Schafe.
1857-1868
Nach Erbstreitigkeiten übernimmt Wilhelmine Mathilde von Thielmann, die jüngste Tochter der Friebes, den Wilmersdorfer Besitz, den sie wahrscheinlich ebenfalls nur zur Sommerfrische nutzt. Sie ist verheiratet mit dem Rittmeister Baron Franz von Thielmann, der guten Kontakt pflegt zu den Dorfbewohner:innen. Während auf dem "Lageplan von Deutsch-Wilmersdorf im Jahre 1856" noch Mühle, Schafstall und Gänsepfuhl verzeichnet sind, entwirft Regierungsbaumeister James Hobrecht 1862 mit dem "Hobrecht-Plan" einen Stadtgrundriss, der vorausschauend mit einem starken Wachstum Berlins kalkuliert.
1868-1893
Der Spirituosenfabrikant August Wilhelm Kahlbaum erwirbt das Haus als Sommerresidenz und tauft es nach seiner Frau "Elisienhof". Das Anwesen ist mittlerweile 3,2 Hektar groß und wird allgemein als "Villa" bezeichnet. 1885 besucht Kaiser Wilhelm I. die Kahlbaums in Wilmersdorf, auch um die "Siegesbank" in Augenschein zu nehmen, die Kahlbaum nach dem preußischen Sieg im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) anfertigen ließ. Die Bank wird später im Tiergarten aufgestellt.
1868-1893
Ab 1872 verbindet ein öffentlicher Pferdeomnibus Wilmersdorf und Berlin. 1879 gründet Otto Schramm sein beliebtes Ausflugs- und Gartenlokal mit Badeanstalt, Laubengängen, Schaukeln, Schießbuden und Tanzpalast am Wilmersdorfer See. "Geh'n wir zu Schramm" wird für die Berliner:innen zum geflügelten Wort für Vergnügung. Ab 1887 dürfen nach Änderung der Berliner Bauordnung auch in den Vororten fünfstöckige "Mietskasernen" errichtet werden; sie entstehen in Wilmersdorf ab 1892. 1891 werden die ersten Gaslaternen installiert. 1870 hat Wilmersdorf noch 1.662 Einwohner:innen, die Bewohnerzahl fängt an, rasant zu steigen. 1890 sind es bereits 5.163 Einwohner:innen.
1893-1918
1893 kauft der stadtweit bekannte Medizinalrat und Professor für Augenheilkunde Dr. Heinrich Schoeler das Anwesen. Die Familie Schoeler wohnt ganzjährig in Wilmersdorf. Auf dem Grundstück gibt es zwei Gewächshäuser, einen Pferde- und einen Hühnerstall, eine Kegelbahn und ein Palmenhaus, einen Tennisplatz am See sowie zwei Gartenhäuschen. Zum See führte eine alte Kastanienallee. 1895 hat Wilmersdorf 14.351 Einwohner:innen.
1893-1918
Bei den Schoelers finden viele gastliche Zusammenkünfte statt, Freunde und Zeitgenossen erwähnen schöne Möbel im Empire-Stil sowie die altmodisch-behagliche Atmosphäre im Haus. Technische Neuerungen halten bewusst keinen Einzug, Schoeler lässt weder elektrisches Licht noch Telefon und Zentralheizung installieren, während die Stadt rings umher explosionsartig weiterwächst.
1908
Die Wilhelmsaue wird umgestaltet. Entlang der Promenadenwege werden Bänke aufgestellt, Bäume gepflanzt, Grünflächen angelegt. Die elektrische Straßenbahn in die Berliner Innenstadt wird gebaut, die Endstation der Linie 67 liegt auf der Wilhelmsaue. Die Haltestelle bekommt eine "Vollbedürfnisanstalt" und einen Zeitungskiosk. Teile des Schoeler'schen Gartens werden enteignet bzw. verkauft, um die Wilhelmsaue bis zur heutigen Bundesallee führen zu können.
1915
Der Wilmersdorfer See hat schon seit einiger Zeit Probleme mit Verlandung. 1914 wird das Seebad geschlossen. 1915 wird damit begonnen, den See zuzuschütten. 1910 hat Wilmersdorf 109.716 Einwohner:innen und ist somit innerhalb von nur 25 Jahren vom Dorf zur Großstadt geworden.
1920
Am 1. Oktober tritt das mit knapper Mehrheit beschlossene „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ in Kraft. U.a. werden die Großstadt Wilmersdorf, die Landgemeinden Schmargendorf und Grunewald sowie der Forst Grunewald zum 9. Verwaltungsbezirk der neuen Stadtgemeinde zusammengefasst. 1919 hat Wilmersdorf knapp 140.000 Einwohner:innen und ist dicht mit mehrgeschossigen Mietshäusern bebaut.
1921-1929
Schoelers Erben veräußern das Haus in der Inflationszeit für 1.000.000 Mark an den New Yorker Kaufmann Henry Erny. Drei Jahre später verkauft Erny das Anwesen nach der Stabilisierung der Währung überaus profitabel für 275.000 Mark an die Grundstücksverwertungsgesellschaft Cassandra GmbH, die es schließlich weiterverkauft an die gemeinnützige Aktiengesellschaft "Heimstätten-Siedlung Berlin-Wilmersdorf". In den Akten tauchen erstmalig die Begriffe "Barockschlösschen" und "Schoelerpark" auf.
1930
Im Juli beginnt der Bau der Heimstätten-Siedlung: In unmittelbarer Nachbarschaft des Schoeler-Schlösschens, zu diesem Zeitpunkt noch bewohnt, aber als "arg verfallen" beschrieben, werden 16 mehrgeschossige Wohnblöcke mit insgesamt 300 Kleinwohnungen errichtet. Wegen des sumpfigen Untergrunds müssen sie auf Pfählen gegründet werden. Das Schoeler-Schlösschen und ein Teil des Baumbestands werden durch Intervention aus der Bürgerschaft vor dem Abriss bewahrt, Haus und ein kleiner Teil des ehemaligen Parks gehen an die Stadt. Das Nutzungsrecht erhält das Jugendamt des Bezirks.
1931/32
Die morschen Holzbalkendecken im Schoeler-Schlösschen werden entfernt, eine massive Decke wird eingezogen, außerdem werden Öfen und Toiletten eingebaut, um das Haus nutzen zu können. Die Winterhilfe richtet Arbeits- und Nähstuben ein, ein Segelflugverein betreibt in einem Raum Modellbau. Der Schoelerpark wird nach Entwürfen des Wilmersdorfer Gartenbaudirektors Richard Thieme neu gestaltet.
1933-1935
Drei Räume werden vom "Volksbund für das Deutschtum im Ausland" für Schulgruppen hergerichtet, die hier "Heimabende" besuchen. Im Mai 1933 wird auf der Wilhelmsaue das "Schlagetermal" eingeweiht. Das Haus wird um ein weiteres Geschoss aufgestockt, ein neues Mansarddach errichtet, Zentralheizung, zusätzliche Toiletten und elektrische Beleuchtung werden installiert. Mit einem Aufmarsch des Bundes Deutscher Mädel (BDM) wird das Richtfest begangen. Im November 1935 wird das "Heim der Hitlerjugend" an die HJ übergeben. Politiker halten Ansprachen, Fackelträger stehen rund ums Gebäude, vom Dach wird die Fahne der HJ entrollt.
1936/1937
Das HJ-Jugendheim ist für die Olympischen Spiele 1936 als "Olympia-Jugend-Unterkunft" vorgesehen. In drei Räumen im Erdgeschoss eröffnet die lokalgeschichtliche Ausstellung "Heimatschau", eingerichtet von dem Volksschullehrer Erich Jänichen. Ins Obergeschoss zieht eine neue Zweigstelle der Wilmersdorfer Stadtbücherei. Im Dachgeschoss wird ein Gemeinschaftsraum für die HJ eingerichtet.
1937-1940
Zur 700-Jahr-Feier Berlins wird die "Heimatschau" durch neue Ausstellungsstücke ergänzt und die Wilhelmsaue festlich geschmückt. U.a. werden 18 in Öl gemalte Bildtafeln als visuelle Zeitreise in die Wilmersdorfer Geschichte aufgestellt, es gibt Trachtentänze und Volksliedsingen im Schoelerpark sowie Platzkonzerte von Musikkorps und SA-Musikzügen vor der Auenkirche. Über 3.400 Besucher:innen kommen ins Schoeler-Schlösschen und nehmen an kostenlosen Führungen durch die "Heimatschau" teil. 1940 wird ein Luftschutzkeller wird eingerichtet.
1945
Das Haus ist im Zweiten Weltkrieg von Bomben beschädigt worden, das halbe Dach ist abgebrannt. Ein Notdach wird errichtet. Die meisten Ausstellungsstücke der "Heimatschau" gehen in den Wirren des Kriegsendes verloren, die Ausstellung wird 1948 neu zusammengestellt und bis 1972 im Rathaus Wilmersdorf gezeigt. Im Juli 1945 eröffnet der Bezirk ein "Jugendklubhaus". Auf der Rasenfläche des Schoeler-Schlösschens werden Kohlbeete angelegt.
1946-2003
Im notdürftig wiederhergestellten Schoeler-Schlösschen wird eine Kindertagesstätte eröffnet. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte werden außer einigen Modernisierungsmaßnahmen keine größeren Veränderungen am Gebäude vorgenommen. 2003 brennt es in der Küche im ersten Obergeschoss. Der Schaden ist so groß, dass die Kindertagesstätte auszieht.
2006-2014
Das Bezirksamt schließt mit der Stiftung Denkmalschutz einen Nießbrauchvertrag. Ziel ist die Sanierung des Gebäudes. Das zweite Obergeschoss von 1935 wird zurückgebaut, die "originale innere Raumfolge" soll wiederhergestellt werden. Die Fassade wird saniert. Ins Obergeschoss soll die Bibliothek des Altbundespräsidenten Johannes Rau einziehen. Im Erdgeschoss eröffnet temporär ein "Baustellen-Café". Die Stiftung nimmt den Innenausbau nicht in Angriff.
2014-2019
2014 wird der Nutzungsvertrag zwischen Bezirk und Stiftung Denkmalschutz aufgehoben, das Schoeler-Schlösschen an den Bezirk zurückgegeben. Antragstellungen zur Finanzierung einer Sanierung bleiben erfolglos. 2015 gründet sich die "Bürgerinitiative Schoeler-Schlösschen". Diskussionen um die Nutzung als selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum führen aber nicht zu mehrheitsfähigen Ergebnissen. 2019 finden zwei Werkstätten zur Bürgerbeteiligung statt.
2019/2020
Als temporärer Ort für zeitgenössische Kunst und Kunstvermittlung des Fachbereichs Kultur öffnet "SCHOELER.Berlin" seine Türen. Unter der künstlerischen Leitung von Oliver Möst werden im Erdgeschoss acht Gruppenausstellungen gezeigt, begleitet von Veranstaltungen und Zeichenkursen.
2021-2025
Die barrierearme Sanierung mit dem Ziel der kulturellen Nutzung des gesamten Gebäudes beginnt. Der Innenausbau wird gefördert aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen im Bereich Sport, Jugend und Kultur“. Die Restfinanzierung leistet das Bezirksamt in Form der Investitionsplanung. Die Fertigstellung und Neueröffnung ist für Anfang 2025 geplant.